Arbeitsmedizinische Vorsorge in der Verantwortung des Arbeitgebers

Der Arbeitgeber ist aufgefordert sich fachliche Hilfe einzuholen. Er hat entweder einen Arzt zu beauftragen, der die Gebietsbezeichnung „Arbeitsmedizin“ oder „Betriebsmedizin“ zu führen berechtigt ist oder die Optionen, einen Betriebsarzt nach dem Arbeitssicherheitsgesetz zu bestellen. Im Rahmen der Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherer kann er dazu auf die angebotenen Arbeitsmedizinischen Dienste (AMD), die Teil der bezahlten Leistung sind, zurückgreifen.

Arbeitgeber und Betriebsarzt haben gemeinsam auf der Grundlage der Gefährdungsbeurteilung für eine angemessene arbeitsmedizinische Vorsorge zu sorgen. Was allgemein formuliert ist, bedeutet konkret aber eine detaillierte und fachliche Auseinandersetzung mit den Tätigkeitsfeldern des Beschäftigten, zur Festlegung von einem oder auch mehreren möglichen Vorsorgeanlässen.

Dem Arzt sind zu diesem Zweck Begehungen im Betrieb und auf Baustellen zu ermöglichen, um notwendige Kenntnisse über die Arbeitsplatzverhältnisse zu erlangen und eine Ermittlung der Intensität der Gefährdungen durchführen zu können. Dies ist notwendig, um eine gezielte Einstufung der Vorsorgeuntersuchungen in Plicht-, Angebots- und Wunschvorsorge individuell vorzunehmen. Daraus abgeleitet hat der Arbeitgeber eine Vorsorgekartei zu führen mit Angaben, dass, wann und aus welchen Anlässen arbeitsmedizinische Vorsorge stattgefunden hat. Diese Angaben sind für die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses aufzubewahren, anschließend zu löschen und eine Kopie der ausscheidenden Person auszuhändigen.

Alle detaillierten Regelungen sind der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) im Geltungsbereich des Arbeitsschutzgesetzes zu entnehmen. Die Verordnung verfügt über einen Anhang, in dem die Arbeitsmedizinische Pflicht- und Angebotsvorsorge in Abhängigkeit von Gefahrstoffen, biologischen Arbeitsstoffen, physikalischen Einwirkungen oder sonstigen Tätigkeiten wie z. B. dem Tragen von Atemschutzmasken oder Tätigkeiten an Bildschirmarbeitsplätzen, unterschieden wird.

Bezüglich der verschiedenen Arten der arbeitsmedizinischen Vorsorge ist zwischen Pflichtvorsorge und Angebotsvorsorge zu unterscheiden.

Bei der Pflichtvorsorge, geregelt in § 4 der ArbMedVV, handelt es sich um verpflichtende Untersuchungsanlässe mit besonders hohem Gefährdungspotenzial. Ein Katalog von Tätigkeiten, die eine Pflichtvorsorgeuntersuchung auslösen, findet sich im Anhang zur ArbMedVV, beispielsweise bei verschiedenen Tätigkeiten mit Gefahrstoffen.

Der Arbeitgeber muss die Pflichtvorsorge vor der erstmaligen Aufnahme der Tätigkeit durchführen und anschließend regelmäßig (einmal jährlich) auffrischen lassen. Die Durchführung der jeweiligen Pflichtvorsorge ist Beschäftigungsvoraussetzung. Wird sie nicht spätestens zum vorgesehenen Zeitpunkt durchgeführt, besteht für den betroffenen Arbeitnehmer ein Beschäftigungsverbot. Setzt der Arbeitgeber sich über dieses Verbot hinweg, lässt er also seinen Arbeitnehmer trotz pflichtwidrig nicht durchgeführter Vorsorgeuntersuchung tätig werden, stellt dies eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit oder sogar Straftat dar.

Bei der Angebotsvorsorge, geregelt in § 5 ArbMedVV, handelt es sich um eine arbeitsmedizinische Vorsorge, die der Arbeitgeber seinen Beschäftigten bei bestimmten gefährdenden Tätigkeiten anbieten muss. Eine Liste der Tätigkeiten, die die Angebotsvorsorge auslösen, befindet sich ebenfalls im Anhang zur ArbMedVV. Ein Beispiel hierfür sind etwa Tätigkeiten im Freien im Zusammenhang mit natürlicher UV-Strahlung.

Die Angebotsvorsorge erfordert – in Abgrenzung zur Pflichtvorsorge – lediglich das Angebot der Untersuchung, ihre tatsächliche Durchführung ist hier nicht Beschäftigungsvoraussetzung.

Ebenso wie die Pflichtvorsorge muss die Angebotsvorsorge jedem Arbeitnehmer vor Aufnahme der Tätigkeit und anschließend regelmäßig einmal jährlich angeboten werden.

Häufig herrscht Unsicherheit, welche Informationen im Anschluss an eine Vorsorgeuntersuchung zwischen Betriebsarzt, Beschäftigtem und Arbeitgeber kommuniziert werden dürfen oder sogar sollten. Das Ergebnis der Befunde ist durch den Arzt schriftlich festzuhalten. Weiter hat er den Beschäftigen darüber zu beraten und ihm auf dessen Wunsch hin das Ergebnis zur Verfügung zu stellen. Bis dahin entspricht dies einem natürlichen Arzt-Patienten-Verhältnis in Bezug auf die ärztliche Schweigepflicht. Der § 6 ArbMedVV fordert vom Betriebsarzt aber auch, dem Beschäftigten und dem Arbeitgeber eine Vorsorgebescheinigung darüber auszustellen, dass, wann und aus welchem Anlass ein arbeitsmedizinischer Vorsorgetermin stattgefunden hat. Die Vorsorgebescheinigung enthält auch die Angabe, wann eine weitere arbeitsmedizinische Vorsorge aus ärztlicher Sicht angezeigt ist. Befunde und persönliche medizinische Einzelheiten sind darin wegen der ärztlichen Schweigepflicht jedoch nicht enthalten. Die Bescheinigung ist wichtig für den Arbeitgeber, da er diese Angaben zu Pflege seiner Vorsorgekartei und damit seiner Pflichterfüllung benötigt.

Ein besonderes Problem im Zusammenhang mit der Durchführung von Pflichtvorsorgeuntersuchungen ergibt sich aus der vielerorts herrschenden Überlastung der Arztpraxen. Dies hat zur Folge, dass Wartezeiten für Vorsorgetermine zwischen zwei und 18 Monaten keine Seltenheit sind. Mutmaßlich hängen regionale Unterschiede mit der Dichte von ärztlichen Anlaufstellen zusammen, begründet damit, dass in Ballungsgebieten mit vielen industriellen Arbeitsplätzen eine größere Abdeckung zu verzeichnen ist. Terminliche Engpässe bei den Arbeits- und Betriebsmedizinern können dazu führen, dass Arbeitnehmer nicht rechtzeitig den Pflichtvorsorgeuntersuchungen unterzogen werden können, mit der Folge, dass sie während der Wartezeit nicht (mehr) beschäftigt werden dürfen.

Es ist deshalb unbedingt auf frühzeitige Terminvereinbarungen zu achten. Sicherheitshalber sollte daher direkt im Anschluss an eine durchgeführte Untersuchung ein Folgetermin vereinbart werden.

Sollten einmal alle Stricke reißen und nicht mehr die Möglichkeit bestehen, einen Termin rechtzeitig zu vereinbaren, besteht für den Arbeitgeber höchstens der Ausweg über Ersatzpersonal. So könnte die Tätigkeit des betroffenen Arbeitnehmers zeitweise von einem Arbeitskollegen übernommen werden, bis die Vorsorge erfolgreich aufgefrischt wurde. Kommt auch dies nicht in Frage, weil kein entsprechend qualifiziertes Ersatzpersonal verfügbar ist, besteht bis zur Durchführung der Vorsorgeuntersuchung ein Beschäftigungsverbot.

Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) hat klargestellt, dass im Pandemiefall das Arbeitsschutzrecht durch Maßnahmen zum Bevölkerungsschutz überlagert wird und pragmatische Lösungen gefragt sind. Als pragmatische Lösung könnten in der derzeitigen Situation arbeitsmedizinische Vorsorgen etwa auch telefonisch durchgeführt werden soweit die Beratung im Vordergrund steht. Beachten Sie hierzu auch die Veröffentlichungen der BAuA: https://www.baua.de/DE/Aufgaben/Geschaeftsfuehrung-von-Ausschuessen/AfAMed/Vorsorge-im-Pandemiefall.html

Der Beginn der Sommerzeit rückt das Thema UV-Schutz wieder in den Vordergrund. Mit zunehmender Intensität der natürlichen UV-Strahlung ist es für die Betriebe wichtig, wieder verstärkt auf wirksame Sonnenschutzmaßnahmen zu achten. Ebenso möchten wir diesbezüglich an die Vornahme und Auffrischung der Angebotsvorsorge für die Arbeitnehmer erinnern. Für weitere Informationen zum Thema UV-Schutz beachten Sie bitte unsere News zum Thema (s. Linkliste unten) oder kontaktieren Sie die Geschäftsstelle. Ein Musterschreiben zur Vornahme der Angebotsvorsorge zur Vorlage bei den Arbeitnehmern finden Sie im geschützten Downloadbereich.

Welche persönlichen Erfahrungen haben Sie mit der Problematik der Terminvergabe in verschiedenen Regionen gemacht? Welche Informationen erhalten Sie von den Betriebsärzten?
Teilen Sie uns dies gerne mit unter: newsletter@geruestbauhandwerk.de

Die Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) zum Download:

https://www.gesetze-im-internet.de/arbmedvv/ArbMedVV.pdf

 

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