TRBS 2121-1: Thema Gerüsttreppen und Freigabe

Vermehrt kommt dabei auch die Frage auf, wie sich die Verantwortlichkeiten der TRBS 2121-1 bezüglich des sicheren Zugangs auf die Freigabe des Gerüstes durch den Ersteller auswirken.
Konkret: Darf der Gerüstbauer seinem Auftraggeber das Gerüst überhaupt zur Nutzung freigeben, wenn die TRBS 2121-1 z.B. Treppentürme als sicheren Zugang während der Nutzung fordert, diese Leistung aber nicht beauftragt und deshalb nicht ausgeführt worden ist?

  1. Hintergrund:

Der Gerüstersteller ist aufgrund seiner vertraglichen Vereinbarungen mit dem Auftraggeber verpflichtet, ein mangelfreies, gebrauchstaugliches und sicheres Gerüst zu erstellen. Dazu gehört auch, einen sicheren Zugang zum Gerüst zu schaffen.

Maßgeblich sind insofern einerseits die konkreten vertraglichen Vereinbarungen, andererseits die öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Arbeitsschutzrechts, zu denen auch die TRBS 2121-1 gehört. Die Anforderungen der TRBS 2121-1 an den sicheren Zugang zum Gerüst (Abschnitte 4.2.5 und 4.3.2) fallen unterschiedlich aus, je nachdem, ob es sich um die Montage (hier reichen innenliegende Leitern) oder um den Gebrauch des Gerüstes handelt (hier sind grundsätzlich Treppentürme oder Aufzüge zu bevorzugen, wenn die baulichen Gegebenheiten es zulassen).

Die Verantwortlichkeit für den sicheren Zugang trägt jeweils der betroffene Arbeitgeber: Während der Gerüstersteller sicherzustellen hat, dass der Zugang mittels Leitern während des Auf-, Um- und Abbaus vorhanden ist, muss der Gerüstnutzer den sicheren Zugang während des Gebrauchs gewährleisten.

Wenn nun aber das Gerüst trotz gegebener Einsatzmöglichkeit nicht mit Gerüsttreppen versehen wurde, stellt sich die Frage: Bedeutet der Umstand, dass das Gerüst trotz geeigneter baulicher Gegebenheiten keinen Treppenturm aufweist, dass der Gerüstbauer seine vertraglich geschuldete Leistung nicht erfüllt hat?

Und: Darf der Gerüstbauer das Gerüst in diesem Zustand überhaupt freigeben?

Die Antwort auf diese Fragen wird klar, wenn man sich die Abgrenzung zwischen den vertraglichen Leistungspflichten auf der einen und den Anforderungen des Arbeitsschutzes auf der anderen Seite vor Augen führt.

  1. Die vertragliche Leistungspflicht

Die vertragliche Leistungspflicht des Gerüstbauers ist es, eine mangelfreie Leistung zu erbringen. Mangelfrei ist die Leistung gemäß § 13 Abs. 1 S. 2 VOB/B dann, wenn sie die vereinbarte Beschaffenheit aufweist und den anerkannten Regeln der Technik entspricht. Neben den ausdrücklich im Leistungsverzeichnis aufgeführten Kriterien bestimmen also auch die anerkannten Regeln der Technik das Leistungssoll.

Haben die Vertragsparteien bezüglich der Gerüstzugänge nichts anderes vereinbart, hat der Gerüstersteller seine Leistungspflicht erfüllt, wenn er das Gerüst mit den gemäß Abschnitt 5.8.1 DIN EN 12811-1 (Arbeitsgerüste) ausreichenden innenliegenden Leitergängen ausgestattet hat.

Das Errichten von Treppentürmen aber stellt gemäß Abschnitt 4.2.11 DIN 18451 stets eine besondere Leistung dar, also eine solche, die nur dann zur vertraglich geschuldeten Leistung gehört, wenn sie in der Leistungsbeschreibung besonders erwähnt ist. Zusätzlich ist hier Abschnitt 0.2.4 DIN 18451 zu beachten, wonach vom Auftraggeber nach den Erfordernissen des Einzelfalles in der Leistungsbeschreibung Angaben zu Anzahl und Art von Zugängen wie Treppentürmen gemacht werden müssen. Da ein Bieter nach der Rechtsprechung auf die Vollständigkeit der Leistungsbeschreibung vertrauen darf, kann der Gerüstbauer, der keine Angaben zu Treppentürmen im Leistungsverzeichnis findet, davon ausgehen, dass diese nicht gewollt und somit auch nicht geschuldet sind.

Der Gerüstersteller hat seinen vertraglichen Leistungspflichten also Genüge getan, wenn er ein Gerüst mit Leitergängen erstellt hat, es sei denn, das Errichten von Treppentürmen wurde vereinbart oder nachträglich angeordnet.

  1. Die arbeitsschutzrechtlichen Anforderungen

Von den vertraglichen, also zivilrechtlichen Verpflichtungen klar zu trennen sind die Anforderungen des Arbeitsschutzrechts. Ziel der arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen der TRBS 2121-1 ist es nicht, Leistungspflichten der Vertragsparteien untereinander zu begründen, sondern die den jeweiligen Arbeitgebern obliegenden Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten bei der Verwendung von Gerüsten zu ermitteln.

Auch, wenn nach den Vorschriften der TRBS 2121-1 im Einzelfall ein Treppenturm erforderlich ist (vgl. Abschnitt 4.3.2), führt dies nicht automatisch zu einer Leistungspflicht des Gerüsterstellers gegenüber dem Gerüstnutzer/ Auftraggeber.

Denn zum einen liegt die Verantwortlichkeit, während des Gebrauchs des Gerüstes unter Umständen einen Treppenturm vorzuhalten, klar beim Gerüstnutzer.

Allein der Umstand, dass der Gerüstbauer derjenige ist, der das Gerüst errichtet und es somit in der Regel auch mit Leitergängen oder Treppentürmen ausstattet, führt nicht zu einer Verschiebung dieser Verantwortlichkeit und einer Pflicht zur Ausführung.

Zum anderen wäre die Annahme, dass die TRBS 2121-1 (auch) vertragliche Leistungspflichten begründe, nicht mit der oben beschriebenen Trennung zwischen Zivilrecht und Arbeitsschutzrecht vereinbar.

Zu guter Letzt würde diese Annahme auch der Einordnung von Treppentürmen als besondere Leistungen widersprechen, deren Beauftragung einer besonderen Erwähnung im Leistungsverzeichnis bedarf.

Aus den genannten Gründen haben die Anforderungen der TRBS 2121-1 auch grundsätzlich keine Auswirkungen auf die sog. Freigabe des Gerüstes.

Erläuterung: Mit diesem im Gerüstbau umgangssprachlich etablierten Begriff ist die Mitteilung an den Auftraggeber gemeint, dass das Gerüst vertragsgemäß erstellt worden und zur Nutzung bereit ist. Häufig erfolgt die Freigabe dergestalt, dass eine mündliche/ telefonische „Freigabeerklärung“ an den Auftraggeber ergeht. Daneben wird die gemäß Abschnitt 4.2.9 TRBS 2121-1 erforderliche Kennzeichnung in der Regel mit dem Plan für den Gebrauch nach Abschnitt 4.1.3 TRBS 2121-1 zusammengefasst und am Gerüst angebracht („Freigabeschein“).

Haben die Vertragsparteien das Errichten eines Treppenturmes nicht vereinbart, hat der Ersteller durch die Ausstattung des Gerüstes mit innenliegenden Leitergängen seine vertraglich geschuldete Leistung mangelfrei erbracht. Er kann daher das Gerüst freigeben. Entscheidend ist, dass das Gerüst mangelfrei, also gemäß den vertraglichen Vereinbarungen und unter Beachtung der bautechnischen Regeln, wie z.B. der DIN EN 12811-1 oder der DIN 4420-1, errichtet wurde. Wie festgestellt, erfordert das nicht, dass der Auftragnehmer dem Auftraggeber einen Treppenturm erstellt, sofern dies nicht vertraglich vereinbart wurde. Deshalb ist auch keine „eingeschränkte Freigabe“ erforderlich.

Stets anzugeben sind im Plan für den Gebrauch Art, Anzahl und Lage der Zugänge, egal, ob es sich um Leitergänge oder Treppen handelt.

Anmerkung:

Auf den ersten Blick haben die Vorschriften der Abschnitte 4.2.5 und 4.3.2 TRBS 2121-1 bezüglich der Gerüstzugänge zu einer seltsamen rechtlichen Gemengelage geführt. Denn einerseits weisen sie Gerüstersteller und Gerüstnutzer klare Verantwortlichkeiten bezüglich des sicheren Zugangs zum Gerüst zu, andererseits lassen sie dabei außer Acht, dass es der Gerüstbauer ist, der das Gerüst und somit die Zugänge erstellt.

In Situationen, in denen eine Gerüsttreppe nicht von vornherein Teil der vertraglichen Vereinbarungen gewesen ist und nicht erstellt wurde, stellen Auftraggeber häufig im Nachhinein fest, dass nach der TRBS 2121-1 während des Gebrauchs des Gerüstes der Zugang mittels Treppe sicherzustellen ist. Nicht selten vertreten sie dann die Ansicht, der Gerüstersteller habe nachträglich auf eigene Kosten eine Treppe zu errichten, da er schließlich eine Leistung nach den geltenden Arbeitsschutzvorschriften schulde. Diese Ansicht ist aber zu kurz gedacht und – wie festgestellt – rechtlich nicht korrekt.

Wichtig ist, sich in diesen Fällen auf das zu berufen, was vertraglich vereinbart und geschuldet ist. Wenn die Errichtung eines Treppenturmes nicht vertraglich vereinbart wurde, ist der Gerüstbauer auch nicht verpflichtet, diesen ohne Anordnung und Kostenübernahme des Auftraggebers auszuführen.
Daran ändert sich auch nichts, wenn das Leistungsverzeichnis eine Formulierung zur Einhaltung einschlägiger Arbeitsschutzvorschriften enthält (z.B. „Gerüst entsprechend aller gültigen arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen liefern, aufbauen und vorhalten.“). Solche vermeintlichen „Rundum-sorglos-Pakete“ ändern nichts daran, dass besondere Leistungen eindeutig ausgeschrieben werden müssen, damit sie zum Bausoll gehören.

Es dürfte aber im Sinne beider Parteien, des Gerüstbauers wie des Auftraggebers, sein, bereits von vornherein Streit zu vermeiden und klare Verhältnisse bezüglich der Gerüstzugänge zu schaffen. Wir empfehlen Ihnen deshalb, den Auftraggeber vor Vertragsschluss auf die unterschiedlichen Verantwortlichkeiten der TRBS 2121-1 bezüglich des Gerüstzugangs hinzuweisen und klarzustellen, dass die Ausführung von Treppentürmen gesondert beauftragt werden muss.

Gleichzeitig können Sie ein Angebot bezüglich des Treppenturms unterbreiten und vorsorglich Bedenken für den Fall anmelden, dass der Auftraggeber die Nutzung des Gerüstes ohne Treppen anstrebt. Schlägt der Auftraggeber diese Bedenken in den Wind, ordnet er also die Erstellung ohne Treppenturm an, bleibt das Gerüst trotzdem vertragsgemäß und „freigabefähig“ (s.o.). Es ist deshalb auch nicht erforderlich, das Gerüst zu sperren.

Für den o.g. Hinweis an den Auftraggeber können Sie den Mustervordruck verwenden, den wir Ihnen im geschützten Bereich der Innungshomepage zur Verfügung stellen.

 

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