Licht und Schatten: Der Koalitionsvertrag aus Sicht des Handwerks

Kanzleramt und Reichstag in Berlin

Seit langem fordert das Handwerk einen konsequenten Bürokratieabbau. Dass sich die Große Koalition diese Forderung zu eigen gemacht hat, freut uns umso mehr. Besonders zu begrüßen ist die Tatsache, dass Gesetzesvorhaben schon in einer Frühphase Praxis-Checks unter Einbindung externer Experten unterzogen werden sollen.

Positiv zu bewerten, zumal für die Gewerke der Bauwirtschaft, ist auch das Vorhaben eines Wohnungsbau-Turbos noch in den ersten 100 Tagen einer neuen Regierung. Die hierzu genannten Maßnahmen – unter anderem die zeitlich befristete Wiederherstellung der Förderfähigkeit des EH55-Standards, der Ausbau des sozialen Wohnungsbaus sowie die Verbesserung steuerlicher Maßnahmen zur Neubauförderung – greifen Kernforderungen der Bauverbände auf.

Licht und Schatten gibt es im Bereich der steuerrechtlichen Pläne. So dürfte die geplante degressive Abschreibung auf Ausrüstungsinvestitionen für die Jahre 2025 bis 2027 einen dringend benötigten Investitionsimpuls bewirken. Positive Auswirkungen für viele Betriebe dürfte auch die Senkung der Körperschaftsteuer haben – allerdings soll diese Maßnahme erst 2028 greifen. Unausgegoren wirkt hingegen die weder vom Umfang noch zeitlich genau definierte Teilreform des Einkommensteuertarifs, der zugleich der Unternehmenssteuertarif für das Handwerk ist.

Mehr Mut hätten wir uns auch beim Thema Sozialversicherung gewünscht. Hier muss es dringend eine durchgreifende Reform geben, um die Personalkosten für die Betriebe nicht weiter in die Höhe zu treiben.

Grundsätzlich positiv ist aus Sicht des Handwerks das klare Bekenntnis zu einer starken und unabhängigen Mindestlohnkommission. Umso unverständlicher aber ist, dass schon jetzt klare Erwartungen an die Kommission formuliert werden, was die Höhe des künftigen Mindestlohns betrifft. Das stellt einen unzulässigen Eingriff in die gesetzlich geschützte Autonomie der Kommission dar.

Einige bittere Pillen beinhalten die Pläne beim Arbeitsrecht. Abzulehnen ist etwa die verpflichtende Einführung einer elektronischen Zeiterfassung, da sie kleine und mittlere Handwerksbetriebe unnötig belastet. Auch passen die geplanten Mehrarbeitszuschläge ab der 34. Stunde nicht zur Tarifvertragsstruktur im Gerüstbau, die eine Vollzeit von 39 Stunden und Ansparkonten vorsieht. Positiv ist hingegen die Abkehr von einer täglichen Höchstarbeitszeit zu bewerten. Gleiches gilt für das ausdrückliche Bekenntnis zur Schwarzarbeitsbekämpfung.

Generell zu begrüßen ist, dass die Große Koalition die Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte fördern und bürokratische Hürden in diesen Zusammenhang abbauen will. Unverständlich ist hier allerdings die vorgesehene Begrenzung der bewährten und erfolgreichen Westbalkan-Regelung auf 25.000 Personen im Jahr. Dies droht den Mangel an Arbeits- und Fachkräften vor allem im Bau- und Ausbaugewerbe zu verstärken und damit die geplante Wohnungsbauoffensive zu unterminieren.

Ähnlich zweischneidig ist die Situation beim Thema Vergaberecht. Zwar enthält der Koalitionsvertrag ein klares Bekenntnis zur mittelstandsgerechten Vergabe. Hinter den Kulissen aber ist zu hören, dass es aktuell starke Bestrebungen gibt, sich zur Beschleunigung der Infrastrukturmaßnahmen von der Fach- und Teillosvergabe abzuwenden. Gemeinsam mit anderen Bauverbänden werden wir versuchen, hier gegenzusteuern.

Letztlich entscheidend bleiben bei allen guten Vorsätzen aber die Details und gerade in dieser Wirtschaftslage auch die rasche Umsetzung.

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